Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Interview mit Leech (21.10.2008)

Leech
Die Schweizer Instrumental-Bande LEECH ist nicht so blöd und vergisst bei ihren Post Rock-Visionen die Melodien. Dass Drummer Serge die Musik von LEECH sogar als Pop bezeichnet, zeigt, dass seine Band sich keinen Genre-Dogmen unterwirft.
 
Hallo Serge!

Glückwunsch zu eurem neuen und äußerst gelungenen Album! Wie lebt man denn so als Post-Rocker in der Schweiz? Wird man da anerkannt? Beschreib doch mal kurz eure Szene, sofern sie denn vorhanden ist.

Vielen Dank für die Blumen! Es lebt sich ganz gut in DEM Post-Rock Land schlechthin…hahaha! Ich bin gerade etwas müde, da wir heute von der ersten Hälfte der Tour mit LDC zurückgekommen sind und schlicht und einfach zu wenig geschlafen haben! Es gibt eine solche Szene in der Schweiz, nur ist die halt sehr klein. Aber Leech ist mittlerweile in dieser Szene bekannt und anerkannt, weil wir sehr viel live gespielt haben und es uns mittlerweile auch schon 13 Jahre gibt.

Ihr hebt euch von vielen anderen Post Rock-Bands ab, indem ihr ergreifende Melodien schreibt, die gleichzeitig episch und melancholisch auf den Hörer wirken. Woher der Hang zum Epischen? Was für Einflüsse und Motivationen stecken dahinter?

Ganz einfach weil es uns gefällt, solche Musik zu spielen! Das heißt nicht, dass wir nur solche Musik hören – wir haben ganz verschiedene Einflüsse, sprich Bands und Musik, die wir mögen – das Endprodukt daraus ist unsere Musik.

Eine Frage, die ich in Interviews immer gern stelle: Wo ziehst du die Grenze zwischen Kunst und wichtigtuerischem Gehabe? Was macht Kunst für dich aus?

Serge von LEECHDa bin ich ein bisschen überfragt… Kunst hat für mich nicht unbedingt viel zu tun mit Musik. Gute Musik spürt man einfach – wenn Du zu einem Konzert gehst und von der Band, die da spielt, in den Bann gezogen wirst, das ist für mich dann Kunst! Aber in der Musik hat die Kunst nicht viel verloren. Es wird dann zur Kunst, wenn Du Dir eine Platte anhörst und davon süchtig wirst, das ist Kunst.

Lasst blöd und mit Worten um uns werfen. Post Rock – Postmoderne – musikalischer Eklektizismus… Begriffe, die einiges verbindet. Wie ordnest du LEECH in diese Begriffe ein? Sorry, für solche mühseligen Fragen!

Herrgott, auch noch unverständliche Fremdwörter…das ist ja total anstrengend… Post Rock, was ist das überhaupt? Das ist mittlerweile ein Begriff für gewisse Musik oder Bands, aber irgendwie kann ich es doch nicht einordnen, sprich, mir ein Bild davon machen, was das für Musik sein soll… auch Postmoderne und Eklektizismus – kann man ja eigentlich bei jeglicher Art von Musik hineininterpretieren, welche heute gemacht wird!? Leech kann man auch damit identifizieren und nicht – ich sehe unsere Musik aber eher als instrumentalen Pop – halt nicht mit den Strukturen, welche man mit Pop in Verbindung bringt aber mit den Mitteln sprich Melodien!

Kommen wir auf den Teppich zurück. Wie lange schreibt ihr an euren Songs? Ist es ein ewiges Getüftel, bis das Sound-Epos steht oder fließt das spontan aus euren Instrumenten? Wie viel ist komponiert, wie viel ist improvisiert?

Schon wieder so eine schwierige Frage… das ist ganz unterschiedlich – manchmal kommt jemand mit einer Idee und wir spielen ein bisschen auf der rum und es ergibt sich sofort etwas. Oder aber auch, dass wir wochen- oder monatelang an Ideen oder Stücken arbeiten und es einfach nicht zu einem Ganzen bringen. Es ist immer wieder anders. Auch entwickeln sich die Stücke mit der Zeit – Sounds werden geändert, Strukturen neu arrangiert oder gar ganze Teile wieder gestrichen… ein Beispiel: „Totem & Tabu“ (Titel Nr. 6 auf der ‚The Stolen View’) spielten wir schon vor 7 Jahren – die finale Version sprich das Stück beendet haben wir aber 2007. Die meisten Stücke sind vom Ablauf her komplett durchkomponiert, aber innerhalb dieser Strukturen bietet sich genügend Freiraum für Improvisationen. Live IST es so, das der Hörer andere ‚Sachen’ hört, als er von der Platte her kennt.

Du bist für das Schlagzeugspiel bei LEECH verantwortlich. Welche Art des Schlagzeugspielens nervt dich? Was machst du besser als andere?

Richtig nerven tun mich Schlagzeuger, welche nicht zuhören! Aber eigentlich ist das nicht ein typisches Schlagzeuger-Syndrom – grundsätzlich gibt es zu viele Musiker, die nicht wirklich der Musik zuhören und probieren, genau das zu spielen, was die Musik verlangt! Der Schlagzeuger ist genauso ein Teil wie das Instrument, welches die Melodie spielt. Was ich besser mache als andere… ich würde sagen, ich bin um Welten besser als die meisten Drummer im Sackhüpfen mit verbundnen Augen… hahaha! Ich glaube, man kann nicht von besser oder schlechter sprechen – es gibt natürlich die Drummer’s Drummer wie Steve Gadd oder Gavin Harrison. Aber genauso gut ist zum Beispiel der Drummer der Band Leech, weil er die Band wie Leech tönen lässt!

Wie wichtig ist ein bestimmter Sound für einen Song? Steht der Sound gleichberechtigt neben dem Songwriting?

Leech - The Stolen ViewDas ist auch immer wieder anders – manchmal steht da eine Melodie mit einem ganz bestimmten Sound die unbedingt so sein muss. Dann ist es wieder so, das wir eine Melodie bei welcher wir erst später den passenden Sound finden. Was dafür sehr aufschlussreich ist, ist die Live-Situation – diese gibt uns das beste Feedback. Wir spielen zum Beispiel ein ganz neues Stück um zu schauen, wie und ob das funktioniert beim Publikum. Es kommt oft vor, dass wir dann gewisse Sounds etc. wieder ändern. Sounds sind sehr wichtig in unserer Musik aber das Songwriting ist doch die wichtigste Komponente – dieses kann durch DEN besten Sound natürlich unterstützt und perfektioniert werden.

Wurde der Kontakt zu LONG DISTANCE CALLING durch eine zufällig gemeinsame Tour hergestellt oder steckt mehr dahinter?

Das war totaler Zufall… in der Schweiz ist unsere aktuelle Platte ‚The Stolen View’ ja schon letztes Jahr erschienen. Wir haben eine ausgiebige Tour durch unser ach so schönes Ländle gemacht und die letzten Daten waren Anfang dieses Jahres. Es musste wohl so kommen – ganz genau am 09.02.2008 haben wir zusammen mit LDC ein Konzert gespielt und man muss sagen – es war Liebe auf den ersten Ton… wir hatten vorher noch nie was von ihnen gehört und umgekehrt. Wir waren beide total angetan von der Musik und so kam es dass das ganze in einer Split-EP endete!

Wie gut funktioniert eure Musik live? Moshpits werden sich wohl kaum vor der Bühne bilden?

Ich denke unsere Musik funktioniert sehr gut live. Es ist halt nicht Musik, wo die Leute sich gegenseitig die Beine auf die Nase knallen und sich mit Bier übergießen… bei einem Leech-Konzert wirst Du wohl viele ‚blinde’ Menschen sehen – halt mit geschlossenen Augen! Es ist Musik, die Zeit braucht – bei uns wie auch beim Zuhörer! Du wirst Dich wundern – wir haben tatsächlich Moshpits an unseren Konzerten, und zwar Moshpits aus Rauchschwaden vom ‚lustigen Tabak’…

Was hat dich zuletzt stark berührt? Egal, ob es dabei um Musik oder etwas anderes geht?

Die Liebe… und die Platte von Amon Tobin ‚Out From Out Where’ – einfach ein Killer!!!

Ich danke dir für deine Zeit! Bis zum nächsten Album hoffentlich!
Nils Herzog (Info)